Martin Mertens: „Strukturwandel erfordert Einsatz und Mut.“

Rommerskirchens Bürgermeister beschreibt seine Vorschläge zum Strukturwandel in einem soeben erschienenen Buchbeitrag.

Auch wenn die Corona-Pandemie derzeit alles andere überlagert: Das absehbare Ende des Braunkohleabbaus und die Frage, wie es im Rheinischen Revier danach weitergehen kann, steht nicht allein für die Gemeinde Rommerskirchen auf der politischen Prioritätenliste ganz obenan. Antworten, daran besteht für Bürgermeister Dr. Martin Mertens kein Zweifel, müssen bereits heute gefunden werden, und nicht erst, wenn der Ausstieg aus der Braunkohle spätestens 2038 vollzogen ist.

„Für das Rheinische Revier ergeben sich unzählige Möglichkeiten, den Strukturwandel anders zu meistern, anders als das Ruhrgebiet, dass mit Maßnahmen erst in den 1980-er Jahren begonnen hat“, schreibt Mertens in dem soeben im Schüren-Verlag erschienenen Buch „Klima und Arbeit versöhnen“, das im Untertitel „Impulse für einen klimaneutralen Umbau der Wirtschaft“ verspricht. Zu den Autoren des von Kay Kürschner herausgegebenen Bands zählen neben Mertens auch der frühere SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Thiel und die NRW-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds Anja Weber, aber auch Mehrdad Mostofizadeh, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen.

Um hochwertigen Ersatz für die entfallenden Arbeitsplätze zu schaffen, gelte es binnen etwa eines Jahrzehnts, neue Industrie- und Gewerbeansiedlungen zu schaffen, „und zwar auf bereits jetzt freien Flächen“, wie der Bürgermeister betont. Hier jedoch beginnen die Probleme: Deren größtes besteht darin, „geeignete (Acker-)Flächen bezahlbar zu erwerben, sofern sie überhaupt verfügbar sind“. Die allgemeine Knappheit an Flächen führe zu hohen Preiserwartungen der Verkäufer. Hinzu komme die stetig mangelnde finanzielle wie personelle Ausstattung der Planungs- und Bauämter.

Um „mit Unterstützung des Landes überhaupt neue Arbeitsplätze ansiedeln zu können“, befürwortet der promovierte Politologe Mertens die Einrichtung eines landesweiten Grundstücksfonds. „Zentrale Aufgabe“ sei es, „dass bereits planerisch projizierte Entwicklungsflächen für Großvorhaben auf Landesebene von dieser auch zügig vorangetrieben werden“, so der Rathauschef.

Er nennt fünf weitere konkrete Maßnahmen, die den Kommunen beim effektiven Flächengewinn helfen könnten: Neben steuerlichen Sonderregelungen für Landwirte beim Verkauf von Ackerland sei auch eine finanzielle Entlastung der Kommunen bei der Planung und Erschließung neuer Gewerbeflächen nötig. So könnten kommunale Entwicklungsgesellschaften mit Landesbürgschaften ausgestattet werden. Zudem müssten Infrastrukturplanungen auf regionaler Ebene deutlich beschleunigt werden. Anstelle langwieriger Förderprogramme befürwortet Martin Mertens „entsprechende Mittel schnell und verhältnismäßig unkompliziert“ zur Verfügung zu stellen. Last but not least müssten Flächen, die im Landesentwicklungsplan für Großprojekte vorgesehen sind, von Land und Kommunen „gemeinsam schnellstmöglich entwickelt werden“, ist er überzeugt.

Das Rheinische Revier sieht er als „Laborraum für die Landwirtschaft 4.0“. Die vor Ort zu findenden Lössböden seien die besten Deutschlands, so dass das hier zu entwickelnde Agro-Business ein überaus realistisches Zukunftsfeld sei. Deutlich ausgebaut werden müsse die Schieneninfrastruktur, um das Rheinische Revier zum „Europäischen Drehkreuz“ zu machen, fordert Mertens. Damit die Menschen in dieser „wirtschaftlichen Herzkammer“ auch bezahlbar leben könnten, gilt es nach seinen Worten, den geförderten Wohnungsbau wiederzubeleben. RWE müsse weiterhin Partner in der Region bleiben und zumindest einen Teil seiner Entschädigungen „in Innovationen und die Schaffung neuer Strukturen investieren“.

Martin Mertens ist überzeugt: Wenn Land und Kommunen kooperieren und die „überbordende Bürokratie über Bord werfen“ könne die Region die an sie gerichtete zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts meistern „und noch mehr denn je zur Boom-Region werden.“ Erforderlich seien hierfür: „Einsatz und Mut“.