Zu den Gewinnern der Obermayer Awards 2022 zählte jetzt auch der Historiker Josef Wißkirchen. Mit der im Jahr 2000 von Dr. Arthur S. Obermayer (1931-2016) und seiner Frau Dr. Judith H. Obermayer ins Leben gerufene Auszeichnung werden deutsche Bürger und Organisationen gewürdigt, die sich für die Erinnerung an die wichtige Rolle einsetzen, die die jüdische Bevölkerung vor der Zeit des Nationalsozialismus über Hunderte von Jahren für die deutsche Gesellschaft spielte. Ausgezeichnet werden zudem Menschen, die sich gegen Antisemitismus und Rassismus engagieren – was auf den pensionierten Geschichtslehrer Wißkirchen gleichermaßen zutrifft, wie das erstere Kriterium.
Wie so viele andere Zeitgenossen hat der 1939 in Bonn geborene Historiker „im Unterricht nicht viel“ von der Vernichtung der Juden gehört. Die eigentliche Wende kam für ihn erst mit dem Film Klassiker „Nacht und Nebel“ von Alain Resnais, wie er jetzt anlässlich der Preisverleihung im Berliner Abgeordnetenhaus sagte, zu der er aus Stommeln zugeschaltet wurde. Der pensionierte Lehrer, der am Grevenbroicher Erasmus-Gymnasium Geschichte unterrichtet hatte, begann schon Anfang der 1980 – er Jahre, die Geschichte der ehemaligen jüdischen Bevölkerung in Stommeln und später auch in Rommerskirchen zu dokumentieren und hat dabei eine Reihe von Standardwerken veröffentlicht. Heute gehört er den Obermayer Awards zufolge zu den produktivsten deutschen Autoren im Bereich jüdischer Lokalgeschichte.
Zu seinen Gratulanten zählte jetzt auch Bürgermeister Dr. Martin Mertens: „Ich freue mich sehr für Josef Wißkirchen, der mit seinen Forschungen und Veröffentlichungen Bahnbrechendes geleistet hat. Er zeigt an konkreten Beispielen und Lebensläufen, was Inhumanität anrichten kann und rüttelt dadurch auf, äußerst wachsam zu sein, wenn Menschenrechte und Demokratie in Frage gestellt werden“, so der Bürgermeister.
Der Preisträger ist auch in Rommerskirchen häufig präsent: Zuletzt hat Wißdorf am 9. November 2021 an der Nettesheimer Martinusstraße einen Stolperstein für die mit ihrer Familie ermordete Jüdin Ilse Kaufmann verlegt. Einen Monat zuvor stellte er im Rommerskirchener Ratssaal sein neuestes Buch „Jüdische Familien kämpfen ums Überleben“ vor, das kurz zuvor auch – als erstes seiner Werke – in englischer Sprache in den USA erschienen ist. Dass bis weit in die 1970-er Jahre hinein im Schulunterricht nur wenig über die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erfahren war, war ein auch bei der Diskussion anlässlich seiner Buchpräsentation intensiv diskutierter Punkt.
„Wer in Rommerskirchen lebt, kann den Spuren der jüdischen Vergangenheit nicht entgehen“, schreibt Josef Wißkirchen auf den Schlussseiten seines jüngsten Werks Buchs, die ein Plädoyer für die nicht nur schmerzliche, sondern auch heilende Wirkung der Erinnerung enthalten. „Sich der Vergangenheit stellen und ehrlich damit umzugehen“, ist für ihn die Voraussetzung dafür, „so etwas wie Versöhnung zu schaffen“, so Wißkirchen.
Ein Aspekt, der anlässlich der Verleihung auch mit Blick auf Marlene Straus (geborene Roesberger) betont wurde, neben Margot Vosen-Haarburger die einzige noch lebende Jüdin aus Rommerskirchen. Die Begegnung mit Josef Wißkirchen und ihr erstes Wieder-sehen mit Rommerskirchen nach über 70 Jahren im April 2019 hätten es ihr in gewisser Hinsicht ermöglicht, sich mit ihrer Vergangenheit zu versöhnen, sagte eine Enkelin der inzwischen 90-Jährigen, deren Elternhaus sich an der Giller Straße befindet.